Ist Streetwear tot? Warum der Stil eine neue Richtung einschlägt

Ist Streetwear tot? Warum der Stil eine neue Richtung einschlägt

Die Modewelt kennzeichnet sich durch  ständigen Wandel und Disruptionen. Während die 2010er-Jahre in der Jugend- und Popkultur von Streetwear dominiert wurden, lässt sich mittlerweile eine leichte Kehrtwende beobachten. Der Hype um markante Logos und limitierte Sneaker scheint etwas abzuklingen. Stattdessen rücken minimalistische Stile wie "Quiet Luxury" oder der funktionale "Gorpcore" in den Vordergrund. Doch was bedeutet das für Streetwear? Ist die Bewegung, die einst eine Subkultur repräsentierte, am Ende – oder steht sie vor einer Rückbesinnung auf ihre Wurzeln?

Der Aufstieg: Streetwear als kulturelle Revolution

Streetwear begann in den 80er- und 90er-Jahren als Ausdruck urbaner Subkulturen. Inspiriert von Skateboarding, Hip-Hop, Graffiti und Surfkultur, symbolisierte der Stil ein Lebensgefühl: rebellisch, unabhängig und kreativ. Marken wie Stüssy, Freshjive oder Supreme waren Vorreiter, die das Lebensgefühl einer jungen Subkultur einfingen, die sich gegen das Establishment stellte.

Streetwear war mehr als nur "Klamotten" und entwickelte sich nach und nach zu einem Movement und einem Statement. Der Stil erschuf eine Plattform für Kreative, die ihre Identität und ihre Werte durch Mode ausdrückten. Doch mit dem Erfolg kamen Kompromisse und diese führten zu einer zunehmenden Kommerzialisierung. Kollaborationen mit Luxusmarken wie Supreme x Louis Vuitton oder die wachsende Präsenz von Streetwear auf Laufstegen machten deutlich: Die Subkultur wurde zur globalen Industrie. Die Zahl spricht Bände: Allein 2020 wurde der Wert des Streetwear-Marktes auf etwa 185 Milliarden Dollar geschätzt. Doch mit dem Wachstum kam auch die Frage nach der Authentizität – ein Thema, das bis heute die Szene prägt.

Warum Streetwear an Glanz verliert

Laut einer Umfrage von Highsnobiety gaben 56 % der Befragten an, weniger begeistert von Streetwear zu sein als noch vor ein paar Jahren. Aber warum hat der Style, der einst so prägend war, seine Anziehungskraft verloren?

1. Übersättigung des Marktes

Streetwear verlor ihre Exklusivität, als sie zum Massenphänomen wurde. Große Retailer überschwemmten den Markt mit minderwertigen Nachahmungen, und die einstigen „Hype-Drops“ wurden durch inflationäre Kollektionen abgelöst. Der Reiz des Einzigartigen ging verloren.

2. Verlust der Subkultur-Identität

Marken, die einst für Authentizität standen, wurden zu kommerziellen Giganten. Das führte dazu, dass viele potenzielle Käufer sich abwandten, da der rebellische Geist der Streetwear durch kapitalistische Interessen verdrängt wurde.

3. Neue Generation, neue Trends

Die Gen Z, die Nachhaltigkeit und Individualität priorisiert, sucht zunehmend nach Alternativen. „Quiet Luxury“, ein minimalistischer Stil, der auf Understatement setzt, ist eine direkte Gegenbewegung zu den auffälligen Logos der Streetwear.

Renaissance durch Rückbesinnung?

Auch wenn Streetwear nicht mehr so stark im Fokus steht wie vor einigen Jahren, ist sie keinesfalls irrelevant. Vielmehr erleben wir eine Rückbesinnung auf die Ursprünge. Marken wie Corteiz oder Drama Call zeigen, dass es noch immer einen Platz für authentische Streetwear gibt. Diese Labels setzen auf lokale Communities, limitierte Drops und Guerilla-Marketing, um den ursprünglichen Spirit wieder aufleben zu lassen. Streetwear war nie ein Trend – sie war immer eine Mentalität. Tatsächlich zeigt sich, dass kleine, unabhängige Labels zunehmend den Fokus auf Kreativität und Gemeinschaft legen.

Ein Beispiel ist die Londoner Marke Corteiz, die mit unkonventionellen Marketingaktionen wie 99-Pence-Verkäufen oder Tauschaktionen für Luxusjacken eine engagierte Fangemeinde aufgebaut hat. Der Erfolg zeigt: Authentizität und Nähe zur Community sind wieder gefragt.

Ein Blick in die Zukunft: Was kommt nach Streetwear?

Die Abkehr vom Hype hat Platz für neue Trends geschaffen:

  • Quiet Luxury: Schlichte Eleganz und hochwertige Materialien ohne auffällige Logos.
  • Gorpcore: Funktionalität und Outdoor-Ästhetik im urbanen Kontext.
  • Retro-Revival: Nachhaltige und individualisierte Mode wie Upcycling und Secondhand gewinnen an Bedeutung.

Doch auch innerhalb der Streetwear-Bewegung könnte eine neue Welle entstehen. Der Fokus auf lokale Szenen und die Rückkehr zu Subkultur-Elementen könnte eine authentischere Version der Luxus-Streetwear hervorbringen.

Streetwear ist nicht tot, sie transformiert sich

Streetwear hat ihren Platz im Mainstream verloren – doch das ist nicht gleichbedeutend mit ihrem Ende. Vielmehr könnte die Bewegung jetzt ihre ursprünglich rebellische Natur wiederfinden. Während große Marken zunehmend die Bühne verlassen, übernehmen kleine Labels und lokale Communities die Führung. Für Modebegeisterte bedeutet dies eine spannende Phase des Umbruchs. Vielleicht ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt, um sich an die Wurzeln von Streetwear zu erinnern: Gemeinschaft, Kreativität und eine Prise Rebellion.